Während die Welt im 21. Jahrhundert durch neue Technologien und deren Wunder immer schnelllebiger zu werden scheint, ist es erfrischend zu wissen, dass für manche Bereiche des Lebens immer noch altehrwürdige Tradition der Schlüssel ist. Unser geliebter Cognac ist natürlich einer davon. Aber wussten Sie, dass auch die alte Kunst der Kalligraphie fest mit unserem Lieblingsgetränk verbunden ist?

Seit eh und je verzieren Kalligraphie-Künstler tief in den heiligen Kellern der Cognac-Häuser die Fässer mit Eau-de-vie mit wunderschönen Schriftzügen – ein Brauch, der so alt ist wie das Getränk selbst. Tauchen Sie mit uns ein in die Geschichte dieser faszinierenden und fast schon geheimen Kunstform und finden Sie heraus, warum diese malerische Tradition so wichtig für die Herstellung von Cognac ist.

Kalligraphie auf Fass von Christophe Pérais

Kalligraphie – Ein kurzer Überblick 

Um die Verbindung zwischen Cognac und Kalligraphie voll und ganz zu verstehen, müssen wir zuerst ein wenig mehr über diese Kunst selbst erfahren. In einer Welt, in der wir mit Typografie vertrauter sind – mit Buchstaben und Zeichen, die in gedruckter oder digitaler Form abgebildet werden – ist Kalligraphie das vollkommene Gegenteil, da es sich hierbei um traditionell von Hand geschriebene Schriftzüge handelt. Tatsächlich haben auch die Schriftarten, die Sie heute auf Ihrem Computer auswählen können, alle ihren Ursprung in der Kalligraphie.

Interessante Tatsache: Der Grund, warum wir so viele Schriftarten an PC und Laptop zur Auswahl haben, ist auf den jungen Steve Jobs zurückführen, der während eines Kalligraphiekurses seine Faszination für diese Kunst entdeckte. Diese Liebe zur Schrift zeigte Jobs uns schließlich auch bei der Einführung des Macintosh im Jahre 1984, bei welchem dem Benutzer eine umfangreiche Palette an Typografie angeboten wurde. Als Windows ein Jahr später nachzog, mussten sie in diesem Bereich natürlich mithalten können. Heute können Sie mit Word und ähnlichen Programmen auf Knopfdruck aus Hunderten von verschiedenen Schriftarten wählen.

Was ist Kalligraphie?

Im Grunde ist die Kunst der Kalligraphie wohl so alt wie die Menschheit selbst und hat ihre Ursprünge in der Zeit, als die ersten Menschen Zeichen auf Felsen hinterließen, um anderen zu signalisieren, wo sich die nächste Nahrungsquelle befand. Mit der Entwicklung des Menschen entwickelten sich auch diese noch recht simplen Zeichen weiter. Um 600 v. Chr. erfanden die Römer das lateinische Alphabet. Dies ist der wahrscheinlichste Ursprung dessen, was wir heute als Kalligraphie bezeichnen. Das Wort selbst stammt von den griechischen Wörtern für Schönheit und schreiben, kallos und graphein, ab. 

Die Kalligraphie entwickelte in den folgenden Jahrhunderten drei verschiedene Ausprägungen:

  • Capitalis monumentalis, die in Stein gehauen wurden
  • Capitalis rustica, die auf Wänden geschrieben wurde
  • Römische Kursive für den täglichen Gebrauch
B&W 1989 Grande Champagne Uni Blanc im Fass

In den folgenden Jahrhunderten entwickelten Mönche eine extravagantere, abgerundete Schrift. Dies hieß Unziale und wurde verwendet, um religiöse Texte zu vervielfältigen. Im Laufe der Zeit erschienen weitere Variationen, darunter die karolingische und die gotische Schriftart. In der Renaissance wurden noch schönere Schriftzüge alltäglich, wie z.B. Chancery und die Kursivschrift.

Die Kunst der Kalligraphie entwickelte sich weiter. Wie bei jeder künstlerischen Form kamen und gingen Trends, Regeln wurden aufgestellt, geändert, gebrochen und umgeschrieben. Was bleibt, ist die Kunst der schönen Schriftzüge,  bei der jeder Künstler seinen eigenen Stil mit seiner Arbeit verschmelzen lässt. Die Gemeinsamkeit mit der Kunst des Cognac-Blendings liegt also auf der Hand. Die beiden Künste haben durchaus eine feste Verbindung, die wir im Folgenden eingehender erkunden werden.

Die verborgene Kunst in Cognackellern

Wenn Sie jemals das Privileg hatten, einen Cognac-Keller zu besuchen, haben Sie vielleicht die Kreidemarkierungen bemerkt, die viele der Fässer zieren. Manchmal fast versteckt unter Jahren von Staub und Spinnweben, kennzeichnen diese das Jahr der Ernte, den Ort, die Parzelle der Reebe, aus der der kostbare Nektar gewonnen wurde. Wenn man bedenkt, dass einige Eaux-de-vie Jahrzehnte oder sogar ein 100 Jahre oder länger brauchen, um zu reifen, bedeutet dies, dass uns diese alten Schriftzüge indirekt mit einer längst vergangenen Ära verbinden.

Die Markierungen sollen natürlich viele Jahre überdauern. Daher ist die Intention der Schaffer dieser Schriftzüge nicht nur die reine Informationsvermittlung, sondern natürlich auch die Ästhetik der Schrift. In der Welt des Cognacs wird für diese Alte Kunst eine Schrift namens Kanzlei verwendet. Diese entwickelte sich gegen Ende des Mittelalters in Italien. Es ist eine faszinierende Vorstellung, wie Kalligraphen der damaligen Zeit diese einzigartige Schrift mit einer Schreibfeder bei flackerndem Kerzenlicht entwickelten.

Fass mit 1972 Grande Champagne Le Peu

Um das Holz der Cognac-Fässer mit einem so filigranen Schriftzug zu verzieren, erfordert es natürlich einer anderen Methode. Stift und Feder wären hierzu kein geeignetes Werkzeug, daher werden die Fässer traditionell mit Kreide beschriftet. Die Formen der Buchstaben können hierbei variieren, denn – wie wir bereits erwähnt haben – hat jeder Kalligraph seinen eigenen Stil. Daher unterscheiden sich die Buchstaben in Höhe, Breite und Länge. Dennoch basieren alle Schriftzüge bei der Beschriftung von Cognac-Fässern auf der Schriftart Chancery.

Diese Art von Markierungen wird in der Regel auf Fässern verwendet. Auf Demi-Johns oder Dame-Jeane (große ballonförmige Korbflaschen) wird häufig die gleiche schöne Schriftart auf den Etiketten um die Hälse der Falschen verwendet. In manchen Fällen in Tinte, in anderen, auf einem Schieferbrett und in Kreide geschrieben. So oder so wird auch hierbei der Schriftzug oft aufwendig und traditionell von Hand geschrieben.

Aufgedruckte Beschriftung auf damme jeanne

Was sagt die Beschriftung aus?

Die verschiedenen Zeichen und Formulierungen, die auf den Fässern verwendet werden, sind in der Regel bei jedem Cognac-Haus einzigartig. Sie enthalten jedoch meistens die folgenden Informationen: 

  • Das Jahr der Ernte
  • Das Terroir (Dieses wird häufig abgekürzt, z.B. GC für Grande Champagne, PC für Petite Champagne usw.)
  • Der Name des Cognac-Hauses
  • oft wird auch die Parzelle der Rebe – gekennzeichnet durch einen Code oder eine Zahl – angegeben

Der Grund für all diese Informationen ist es, dem Kellermeister oder seinem Nachfolger zu ermöglichen, den Überblick über teilweise tausende Fässer und deren Inhalt zu behalten.

Verschiedene Fässer in einem Cognac-Keller
Interessanterweise scheint die Verwendung dieser Kreidemarkierungen bei der Alterung anderer Spirituosen nicht nachgeahmt zu werden. Bei Whiskyfässer zum Beispiel werden die Informationen auf den Fassdeckel gestempelt. Dasselbe gilt in der Regel auch für Weinfässer.

Cognac-Kalligraphie im 21. Jahrhundert

Eine Sache, die wir an Cognac besonders lieben, ist die Tradition. Diese Methode zur Kennzeichnung von Fässern ist nur eine weitere wunderbare Facette davon. Der Künstler und Kalligraph Philippe Amrouche setzt sich dafür ein, dass diese aufwendige Kunstform beibehalten wird. Er coacht Kalligraphen, um die Finesse dieses Handwerks für verschiedene Häuser zu lernen, darunter Remy Martin und Hennessy.

Neben der Kalligraphie auf den Fässern selbst sind die Talente dieser geschulten Personen auch gefragt, wenn es z.B. darum geht, Echtheitszertifikate für limitierte Auflagen und handgefertigte Flaschen zu erstellen.

Besonders die Kreation limitierter Auflagen eines Cognacs ist ein Bereich, in dem die Kunst der Kalligraphie von großer Bedeutung ist. Ein Beispiel ist die von der Kalligraphie inspirierte Zusammenarbeit zwischen Hennessy und dem Tätowierer Scott Campbell im Jahre 2015. Sein einzigartiger Kalligraphie-Stil ist geprägt von der Extravaganz des geschriebenen Wortes. 

Natürlich sollten wir nicht die kleineren Cognac-Häuser vergessen, die ihre verschiedenen Cognacs in kleinen Chargen produzieren, die ebenfalls wunderschön mit handgeschriebenen Etiketten präsentiert werden. Obwohl dies ein etwas anderer Bereich dieser Kunst ist, leben die Charakteristika der Kalligraphie auch hierdurch weiter.

Kreide auf Fass

Wie auch immer man es betrachtet, die Schönheit der Kalligraphie trägt in jeden Fall dazu bei, dass uns Frankreichs berühmtestes Getränk noch mehr verführt. Wenn Sie sich vorstellen, wie Jean Martell und Felix Courvoisier (Gründer von Martell– bzw. Courvoisier-Cognac) die Kalligrafen der damaligen Zeit damit beauftragten, die Fässer zu verzieren, aus denen eines Tages die Cognacs der Zukunft gewonnen werden sollten, verkörpert dies die Leidenschaft und Liebe, die in die Herstellung jeder Flasche mit einfließen.

Möge es noch lange so weitergehen.

Autor/in

Max ist ein Spirituosenexperte und Redner in den Bereichen Marketing, Technologie, Start-ups und Geschäftsentwicklung. Er ist auch ein Landwirt. Er mag Werkzeuge und Maschinen, Game of Thrones und Better Call Saul. Zu seinen Top 10 Cognacs gehören der Audry XO und Bache Gabrielsen 1973.

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